10.11.2021 13:42
von Torsten Vogel

Arztbesuche während der Arbeitszeit

Warum ein Arbeitnehmer bei notwendigen Arztbesuchen nicht auf seine Vergütung verzichten muss

Jeder Arbeitnehmer mit Vollzeitbeschäftigung kennt das Problem. Einen Arzttermin außerhalb der Arbeitszeit zu bekommen, gestaltet sich oft als sehr schwierig. Gerade wenn man sich neben der Arbeit noch um Kinder und Haushalt kümmern muss, bleibt oft keine Zeit mehr für den Besuch beim Arzt. Für viele Arbeitnehmer ist es daher unausweichlich, auch mal während der Arbeitszeit zum Arzt zu gehen.

Doch darf ich während der Arbeitszeit einfach so zum Arzt gehen und verliere ich dabei meinen Anspruch auf Entgelt?

Grundsätzlich ist jeder Arbeitnehmer dazu verpflichtet, seine geschuldete Arbeitsleistung in der vereinbarten Zeit zu erbringen. Kommt er seiner Pflicht nicht nach, verliert er den Anspruch auf Entgelt und muss mit einer Abmahnung oder Kündigung rechnen. In Deutschland gibt es keinen generellen Freistellungsanspruch von dieser Pflicht bei Arztterminen. Damit Arbeitnehmer trotzdem die Möglichkeit haben einen Arzt aufzusuchen, hat das Bundesarbeitsgericht ein Grundsatzurteil im Jahr 1984 aufgestellt. In diesem heißt es, dass ein Arbeitnehmer Anspruch auf eine Vergütung für die ausgefallene Arbeitszeit hat, wenn der Arztbesuch notwendig war (5 AZR 92/82). Wann ein Arzttermin als notwendig zu bewerten ist, hängt von den individuellen Umständen ab. Bedarf es keiner sofortigen Behandlung, muss der Arbeitnehmer immer versuchen, einen Termin außerhalb seiner Arbeitszeit bekommen. In diese Kategorie fallen beispielsweise Hautausschläge oder Vorsorgeuntersuchungen, die nicht an einem bestimmten Tag geknüpft sind.

Ist ein Arbeitnehmer aufgrund einer akuten Erkrankung arbeitsunfähig, darf er jederzeit zum Arzt. Klagt ein Arbeitnehmer über einen grippalen Infekt oder akute Schmerzen, kann er also jederzeit einen Arzt aufsuchen, ohne auf seine Vergütung verzichten zu müssen. Problematisch kann es werden, wenn ein Arbeitnehmer keinen Termin innerhalb seiner Freizeit bekommt und eine nicht-akute Erkrankung vorliegt. Gerade Termine an den Randzeiten sind aber heiß begehrt und oft nicht zu bekommen. Auch in diesem Zusammenhang hat das Gericht deshalb einen Grundsatz aufgestellt: Ein Arzttermin ist auch als notwendig anzusehen, wenn ein Arbeitnehmer keinen Termin außerhalb seiner Arbeitszeiten bekommt. Neben der medizinischen Notwendigkeit gibt es also auch eine terminliche Notwendigkeit, welche eine Lohnfortzahlung begründet.

Insgesamt ist es durch das Gerichtsurteil möglich, auch während der Arbeitszeit zum Arzt zu gehen und dabei trotzdem nicht auf sein Geld verzichten zu müssen. Wichtig ist dabei zu erwähnen, dass der Arbeitgeber über den Arztbesuch informiert werden muss und der Arbeitnehmer einen Nachweis über den Arzttermin erbringt. Hat der Arbeitnehmer dies beachtet, steht einem voll bezahlten, notwendigen Arzttermin nichts mehr im Weg. Außerdem ist niemals zu vergessen: gesunde Arbeitnehmer sind meistens produktiver und somit sehr wertvoll!

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