04.08.2022 08:00
von Melanie Weigert

Fachkräftemangel

42-Stunden und 4-Tage-Woche

Dass die deutsche Wirtschaft unter dem Mangel an Fachkräften leidet, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Doch wie stark einzelne Branchen und Deutschland insgesamt betroffen sind, zeigte jetzt wieder eine Studie des Münchner ifo Instituts. Einer Erhebung des Instituts zufolge waren im Juli 49,7 Prozent der Betriebe betroffen. Das bedeutet, dass jeder zweite Betrieb nicht genug Personal hat. Infolgedessen müssen immer mehr Unternehmer ihre Geschäfte einschränken oder ihren Betrieb sogar komplett schließen. Und in den nächsten Jahren ist keine Verbesserung in Sicht, sogar ganz im Gegenteil, denn jeder vierte Berufstätige ist über 55 Jahre alt. Wenn in den nächsten zehn Jahren die Angehörigen der geburtenstärksten Babyboomer-Generation aus dem Berufsleben ausscheiden, werden damit knapp 7,3 Millionen Menschen den Arbeitsmarkt verlassen. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuarbeiten, wird seit Jahren über verschiedene Konzepte diskutiert.

Nach den Lockdowns im Zuge der Corona-Pandemie wurden die Stimmen immer lauter, die eine vier Tage Woche forderten. Die reguläre Anzahl der Arbeitsstunden wird dabei anstatt auf fünf Tage auf vier Tage verteilt. Dadurch arbeitet man nur noch vier Tage pro Woche bei vollem Gehalt/Lohn. Pilotprojekte zeigten sowohl positive als auch negative Aspekte der vier Tage Woche auf. Die Arbeitnehmer berichten, dass sie mehr Zeit für ihr Privatleben hatten und das Wochenende viel stärker für Entspannung genutzt haben. Sie waren ausgeglichener, zufriedener und tendenziell seltener krank. Vorgesetzte meldeten gleichbleibende Leistungen, mehr Kreativität und oft höhere Qualität der erbrachten Arbeit. Doch die vier Tage Woche hat nicht nur Vorteile, denn wer vorher beispielsweise von 08.00 bis 16.00 gearbeitet hat, müsste im Rahmen einer vier Tage Woche von 08.00 bis 18.00 arbeiten. Dies könnte vor allem für Mitarbeiter mit Kindern Probleme hervorrufen. Denn dann stellt sich natürlich die Frage, wer holt die Kinder aus dem Kindergarten ab oder bringt sie beispielsweise zum Fußballtraining oder Reitunterricht.

Ganz gegensätzlich wurde von Wirtschaftsvertretern wie Siegfried Russwurm und Michael Hüther eine optionale oder sogar reguläre Erhöhung der Wochenarbeitszeit auf 42 Stunden ins Spiel gebracht. Dabei verweisen sie häufig auf Nachbarländer wie die Schweiz oder Schweden, wo bereits bis zu zwei Stunden pro Woche mehr gearbeitet wird, um das Rentensystem in einer alternden Gesellschaft stabil zu halten. Doch die Abwehrreaktionen der Bevölkerung kamen schnell und der Preis scheint zu hoch zu sein. Denn es gibt kaum eine gesellschaftliche Gruppe, die mehr arbeiten kann. Wer Angehörige pflegt oder Kinder hat, der benötigt Zeit für Behördengänge oder Einkäufe und möchte selbstverständlich auch Zeit mit seinen Kindern verbringen. Wer ein Ehrenamt ausübt, muss auch dafür Zeit aufbringen und wenn das durch eine Steigerung der Arbeitszeit nicht mehr möglich ist, müssen sie in ihrem Amt ersetzt werden. Personal in körperlich fordernden Berufen, muss die physische Kraft und Konzentration für die verlängerte Arbeitszeit erstmal finden. Die Gefahr, sich zu verletzen, würde für diese Berufsgruppen enorm ansteigen. Und auch wer einen geistig fordernden Beruf ausübt, ist irgendwann erschöpft und ausgelaugt. Das Ergebnis wären Mitarbeiter, die ihre Zeit am Computer nur noch absitzen und zur Arbeit gehen, weil sie es müssen.  

Eine einheitliche Lösung scheint nicht sinnvoll und möglich zu sein. Doch klar ist, dass die Politik Lösungsansätze entwickeln muss, um dem Fachkräftemangel und einer Überalterung entgegenzuwirken.

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